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Interview mit Dr. Natalie Lotzmann

Dr. Natalie Lotzmann, Themensäule „Gesundheit“


Können Unternehmen es sich heute noch leisten, das Thema Mitarbeitergesundheit stiefmütterlich zu behandeln?


Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu
vernachlässigen. In modernen Gesundheitsförderungskonzepten spielen Führungskräfte eine Schlüsselrolle. Das Thema Gesundheit muss zur Chefsache gemacht werden und sollte in der Firmenphilosophie verankert sein. Für die Mitarbeiter in Unternehmen aller Größen und Branchen steigen Arbeitsdichte und -tempo stetig. Gleichzeitig wachsen die psychomentalen Belastungen. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels gilt es, die Belegschaft produktiv und leistungsfähig zu halten. Gesundheit, Engagement und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter werden aber nicht nur von individuellem Gesundheitsverhalten, sondern vor allem auch von Rahmenbedingungen, besonders dem Führungsverhalten beeinflusst.


In welchem Bereich des Themas Gesundheit sehen Sie aktuell bei Unternehmen den größten Nachholbedarf?


Die Arbeitswelt hat sich rasant verändert. Das Thema psychomentale Gesundheit gewinnt in einer Arbeitswelt, in der Flexibilität und Schnelligkeit gefragt sind eine immer größere Bedeutung – besonders vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Psychische Krankheiten sind heute verantwortlich für jede zehnte Krankschreibung. Eine große Aufgabe ist es deswegen, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass sie auch den seelischen Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird. Wichtig ist es, dass die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter als Bestandteil eines ganzheitlichen Personalmanagements zu sehen, das auch die Qualität der Unternehmenskultur und der Führungskultur einbezieht.


Können Sie beziffern, inwieweit Investitionen im Bereich Mitarbeitergesundheit sich für ein Unternehmen rechnen?


Wer in die psychische Widerstandsfähigkeit seiner Mitarbeiter investiert, macht das Thema Gesundheit zu einem festen Bestandteil der sozialen Nachhaltigkeit seines Unternehmens.  Jeder in Gesundheit investierte Euro bringt das Drei- bis Zehnfache zurück. Dies besonders vor dem Hintergrund, dass auch wer anwesend ist, nicht automatisch gesund und produktiv ist. Fehlende organisationale Gesundheit - durch ungesunde Strukturen, misslingende Kommunikation, mangelnde Transparenz oder schlechte Führung - führt zu Demotivation, psychosomatischen Symptomen und mangelndem Engagement. Diese Produktivitätsverluste sind zwei bis fünfmal höher als die durch reine Fehlzeiten bedingten Kosten. Einzelmaßnahmen durchzuführen, ohne einen größeren strategischen Plan zu haben oder die Ausgangssituation und Ergebnisse zu messen, vernichtet nicht nur Geld, sondern bringt auch wenig Resultate. Nur gezielte Maßnahmen, die in die allgemeine Lernkultur integriert sind, zeigen Wirkungen. Nicht von der Hand zu weisen ist auch der deutliche Imagevorteil. Denn ein Unternehmen, das mit einem in die Personalstrategie integrierten betrieblichen Gesundheitsmanagement aufwarten kann, hat neben der erhöhten Produktivität auch bessere Argumente, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen und zu halten.